Zwischenbilanz der Modellvorhaben
Nach einer Begrüßung durch die Forschungsassistenz und den Auftraggeber stellten die Modellvorhaben ihre aktuellen Zwischenstände vor und zogen eine kurze Zwischenbilanz zu Wirksamkeit und Perspektive der Vorhaben. So zeigen sich bei den ursprünglich geplanten Ansätzen Umsetzungsschwierigkeiten, insbesondere bezüglich verbindlicher Zusagen. Regionale Kooperation erfordert in den Kommunen einen gewissen eigenen Leidensdruck. Die Ziele der Modellvorhaben werden teils als zu abstrakt empfunden, der Mehrwert scheint schlecht greifbar und der Koordinierungsaufwand zu hoch zu sein.
Als hilfreich zeigt sich eine zuverlässige und einheitliche Datengrundlage auf gesamtregionaler Ebene. Diese können funktionale Raumverflechtungen aufzeigen und sinnvolle Einheiten für interkommunale Zusammenarbeit definieren.
Jedoch erschweren Datenschutzfragen und die langfristige Pflege aufwendiger Datenbestände den Prozess. Zudem wurde die Notwendigkeit fraktionsübergreifender Mitwirkung in der politischen Landschaft betont. Die Wissensvermittlung in Richtung der Politik – beispielsweise durch ausgewiesene Expert*innen – spielt dabei eine große Rolle um das Verständnis für die Relevanz, Notwendigkeit aber auch die Komplexität der angedachten Planungsprozesse zu fördern. In der Kommunikation mit Politik und Kommunen muss der Fokus auf dem lokalen Mehrwert der Ansätze liegen.
Die angespannte Haushaltslage und die zunehmende Mehrbelastung der kommunalen Verwaltungen mit immer neuen Aufgaben wurden ebenfalls angesprochen. Die Handlungsfähigkeit der Kommunen ist zum Teil bereits heute stark eingeschränkt, kurzfristigen Einnahmequellen wird in der Konsequenz eine hohe Bedeutung zugeschrieben und dabei die Folgekosten vernachlässigt.
Im Bereich der Wohnraummobilisierung, der Innenentwicklung aber auch der Gewerbeflächensteuerung wird Bedarf an neuen Förderinstrumenten und alternativen Anreizsystemen gesehen, um die Steuerungswirkung zugunsten einer intensiven Innenentwicklung und regional sinnvoller Standorte zu erhöhen. Dabei sollen bereits bestehende oder neu erarbeitete Konzepte enger an Fördermittel geknüpft werden und die Frage nach Interessensausgleich stärker in den Fokus rücken. Der Bedarf im Bereich Gewerbe muss insgesamt belastbarer dargestellt und analysiert werden. Aktuell werden die Bedarfe häufig überzeichnet und unrealistisch angegeben. Das Spannungsfeld zwischen der Notwendigkeit, auf kommunaler Ebene Flächen für Gewerbe vorzuhalten, einer regional sinnvollen Standortsteuerung (z. B. entlang qualitativer Kriterien) und dem Ziel, wenig(er) neue Flächen in Anspruch zu nehmen, stellt sowohl die kommunale als auch die regionale Ebene vor Herausforderungen. So sind etwa gerade für kleine Kommunen „Reserveflächen“ ein hohes Gut, um die eigene Planungshoheit und -fähigkeit zu erhalten. Dies kann nur über stärkere Leitplanken der Raumordnung für die Kommunen aufgelöst werden. Als Lösungsansatz werden regionale Flächenkontingente ebenso in die Diskussion eingebracht, wie Anreize, Belohnungen oder Subventionen (durch Bund und Länder) für „anspruchsvolles“ Verhalten der Kommunen, wenn diese z. B. kriterienbasiert arbeiten. Insgesamt sehen die Projektbeteiligten auch einen wichtigen Punkt im Zusammenspiel von formeller und informeller Planung. So kann ein regional sinnvolles Vorgehen zum Teil schwer allein über informelle Planung erfolgen, es braucht vielmehreine stärkere formelle Flankierung. Prozesse müssen dabei dennoch flexibel auf lokale Bedürfnisse reagieren können, ohne Effizienz durch mangelnde Standardisierung zu verlieren.
Durch die gewählten Ansätze ist die regionale Ebene stärker in der Lage, Kreativität und höhere städtebauliche Qualität in kommunale Prozesse zu tragen. Eingespielte Abläufe und Denkmuster können durch einige der gewählten Ansätze aufgebrochen und neue Lösungswege aufgezeigt werden. Aus einer gezielten Steuerung von Standorten und städtebaulichen Qualitäten lässt sich somit im besten Fall auch eine bessere Mengensteuerung ableiten, indem gute Beispiele für umfeldverträgliche, dichte Bauweisen aufgezeigt werden.
Die Diskussion zu Finanzierungs- und Förderfragen hob wesentliche Herausforderungen und Verbesserungsbedarfe hervor. Kritisiert wurde, dass aktuelle Förderprogramme wie die der KfW oft hohe Energiestandards voraussetzen, die bei Altbauten nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erreichbar sind. Dabei wird die graue Energie, die im Bestand gebunden ist, im Vergleich zum Neubau zu wenig berücksichtigt. Gefordert wurden praxisgerechtere Förderansätze, die besser auf die Potenziale und Besonderheiten des Gebäudebestands abgestimmt sind. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass sich kommunale Innenentwicklungsprojekte meist nicht aus den Immobilienerträgen refinanzieren lassen und somit Fördermittel essenziell sind, um kommunale Haushalte zu entlasten. Das Instrument des „Kommunalen Entwicklungsfonds“, wie es in NRW angewendet wird, wurde als positives Beispiel genannt, da es flexible Finanzierungsmöglichkeiten bietet. Eine stärkere Berücksichtigung der spezifischen Anforderungen von Sanierungen könnte die Nachhaltigkeit und Handlungsfähigkeit der Kommunen erheblich stärken.
Langfristig fehlt es an „Kümmerern“, die Netzwerke aufbauen, Prozesse steuern und Vertrauen schaffen können. Organisationseinheiten für interkommunale Kooperation sehen sich oft rechtlichen und finanziellen Hürden gegenüber, bieten aber Potenzial, Beratungsleistungen und Datenmanagement zu bündeln. Solche regionalen Strukturen könnten wichtige Impulse für eine nachhaltige Flächensteuerung und bewusste Planungsprozesse setzen. Der Einsatz flexibler Instrumente wie eines kommunalen Entwicklungsfonds wurde als praktikable Möglichkeit hervorgehoben, um die Innenentwicklungsaufgaben der öffentlichen Hand zu unterstützen.
Offen blieb die Frage, ob es „guten“ und „schlechten“ Flächenverbrauch gibt und inwiefern zwischen diesen Kategorien stärker differenziert werden sollte. Sollten z. B. Flächen für den Ausbau erneuerbarer Energien anders behandelt werden und erbrachte Ökosystemleistungen stärker ins Gewicht fallen? Wie können Anreizsysteme und Förderlogiken diese Fragen aufgreifen?
Diskussion: Zwischenbilanz und Wirksamkeit
An Stellwänden sollte die Wirkung der jeweiligen Modellvorhaben in verschiedenen Kategorien bewertet werden. Dabei wurde die Spannweite der Modellvorhaben (unterschiedliche Farben) und die individuelle Einschätzung der Beteiligten (individuell platzierte Punkte) abgebildet. Über Freitextkarten konnten qualitative Aussagen zu besonders wirksamen Maßnahmen und weiteren Aspekten getroffen werden. Zum Abschluss des ersten Tages fand eine übergreifende Diskussion zu den aus Sicht der Teilnehmenden besonders relevanten Aspekten statt, die am nächsten Tag fortgesetzt wurde.
Genannt wurde in der Diskussion die Frage, wie finanzielle Anreiz- und Belohnungssysteme ausgestaltet werden können, um regional sinnvolles Handeln zu fördern. Hierzu wurde überlegt, ob etwa die Agglomerationskonzepte in der Schweiz dazu ein guter Ansatzpunkt seien. Um die Kommunen handlungsfähiger zu machen, wurde gemeinsam über Werkzeuge und Instrumente zur Hilfestellung auf verschiedenen Ebenen reflektiert.
Politisch beschlossene Konzepte wurden als nützlich beschrieben, um wiederkehrende Diskussionen zu versachlichen und zu verkürzen. Gute Konzepte seien zum Teil ein „Bollwerk“ für willige Akteure. Des Weiteren wird der Bedarf einer intensiveren Vernetzung der Perspektiven und Stärkung der Zusammenarbeit der regionalen und der kommunalen Ebene gesehen. Strategische Denkweisen werden als ebenso wichtig angesehen wir gut informierte und (weiter-)qualifizierte Ratsmitglieder. Neben den informellen Instrumenten wurde jedoch auch der Bedarf nach stärkeren Vorgaben und „Leitplanken“ gesehen, innerhalb derer sich Entwicklungen künftig bewegen sollten. In der Diskussion wurden mehrere zentrale Aspekte hervorgehoben, um die Wirksamkeit flächensparender Strategien und die Steuerungsfähigkeit der Regionalplanung zu stärken:
Die Diskussion zeigte ein weitgehend positives Bild vorhandener Steuerungsansätze, mit einzelnen Ausnahmen aufgrund regionaler Besonderheiten. Dabei wurde die Verknüpfung von Anreizen und qualitativ hochwertigen Konzepten als entscheidend betrachtet. Insbesondere die Schweizer Agglomerationskonzepte wurden als Vorbild für die Entwicklung solcher Anreizsysteme genannt. Weiterhin wurde die Notwendigkeit hervorgehoben, flexibler auf gesellschaftlich relevante und politische Veränderungen wie Klimawandel oder Krisensituationen, aber auch auf Unsicherheiten von z. B. Bevölkerungsprognosen zu reagieren. Die Berücksichtigung historisch gewachsener Strukturen und ein stärkeres Zusammenwirken verschiedener Planungsebenen wurden ebenfalls betont.
Bestandsentwicklung und Suffizienz. Input Dr. Angelika Münter: Warum bauen wir noch Einfamilienhausgebiete?
Der Vortrag erhält viel Zuspruch. In der Diskussion wird angemerkt, dass sich die Eigentumsförderung auf die (energetische) Sanierung von Beständen konzentrieren sollte und das Thema graue Energie vollumfänglich mit in die Diskussion um Bestandsentwicklung integriert werden müsste. Es wird gefordert, Sanierung preiswerter und zugänglicher zu machen, die Beratungsangebote auszuweiten und den Neubau teurer zu gestalten (dies jedoch nur für das Einfamilienhaussegment). Insgesamt waren sich die Teilnehmenden sehr einig, dass das Preisgefüge verändert und Subventionen anders ausgestaltet werden müssen. Der zu beobachtende Donut-Effekt sei auf Dauer gesellschaftlich nicht mehr tragbar und das enorme Potenzial, das im Bestand zur Verfügung steht, muss (besser) genutzt werden. Als Beispiel werden hier bestehende Einfamilienhausgebiete in den neuen Bundesländern genannt, in denen genau solches Potenzial gesehen wird. Fehlanreize im BauGB müssen nach Ansicht der Teilnehmenden abgebaut werden. Hier wird als Beispiel auch der § 246e in der aktuellen Novelle des BauGB als Beispiel eines zu behebenden Missstandes angemerkt. Die Diskussionsteilnehmenden merken konträre Anreize durch verschiedene Förderlinien an, die insgesamt keine klaren Handlungslinien erkennen lassen. Ein weitreichender Reformvorschlag, der aufgeworfen wurde, ist, das Steuersystem so zu modifizieren, dass der Erwerb von Immobilien (Grunderwerbssteuer) günstiger wird, während der Konsum von Wohnfläche (Grundsteuer) teurer wird. Dies könnte dem Remanenzeffekt entgegenwirken.
Aufgeworfen wird zudem der Punkt, dass der Wunsch nach einem Einfamilienhaus auch mit den Themen Altersvorsorge und Vermögensbildung verknüpft ist. Dieser Wunsch kann nicht per se abgelehnt werden, sondern muss stärker mit dem Ziel eines sensiblen Umgangs mit der Fläche in Einklang gebracht werden. Historisch zeigt sich Bremen hier als gutes Beispiel dafür, dass kleinteilig parzellierter Städtebau Einfamilienhäuser mit hohen Dichten zusammenbringen kann.
Ansätze zur Unterstützung von Kommunen auf regionaler Ebene. Input Bernhard Faller: Modell einer interkommunalen Wohnungsbau- und Entwicklungsgesellschaft
Zum Vortrag werden einige konkrete Rückfragen zur Ausgestaltung der Modelle in Münster und OWL gestellt. Dabei wurden Fragen des eingebrachten Grundkapitals, der Personalausstattung und des Vergaberechts geklärt. Auch die Findungsphase in der Region Münster, die aus einer informell kooperierenden Stadtregion hervorging wurde noch einmal genauer beleuchtet. Auch die Frage nach der Steuerungswirkung dieses Ansatzes und der Nachhaltigkeit der daraus resultierenden Projekte wird angesprochen. Herr Faller merkt an, dass es in erster Linie um die Stärkung der Handlungsfähigkeit der Kommunen geht und Ihnen die Inhalte dabei nicht vorgeschrieben werden. Die Frage, ob durch den Ansatz „gute“ oder „schlechte“ städtebaulichen Qualitäten resultieren, steht nicht im Vordergrund des regionalen Ansatzes. Stattdessen sollen die Fragen der städtebaulichen Qualitäten weiterhin vordiskutiert und entschieden werden. Die regionale Ebene in Gestalt einer gemeinsamen Stadtentwicklungsgesellschaft kann dies allenfalls unterstützen und sich dementsprechend einbringen.
Stärkung der Innenentwicklung – Herausforderungen und (Un-)Möglichkeit der Finanzierung. Input Sigrun Palinske IPU GmbH: Erfahrungen mit der Organisation und Finanzierung interkommunaler Zusammenarbeit zur Stärkung der Innenentwicklung
Im Nachgang des gehaltenen Vortrags wird die Frage aufgeworfen, ob Innenentwicklung – da es keine Pflichtaufgabe ist – nur für „reiche“ Kommunen leistbar ist. Es wird u. a. deutlich, dass an bestehenden Netzwerken und Kooperationen angesetzt werden sollte. Modellprojekte können Möglichkeiten aufzeigen, es braucht aber auch eine begleitende Öffentlichkeitsarbeit zur Sensibilisierung. Zudem wird die Rolle regionaler Akteure deutlich: Ein Baulotsennetzwerk kann nicht eigenständig von Kommunen aufrechterhalten werden, sondern braucht einen Impuls von außen, etwa durch ein Regionalmanagement. In der Diskussion wird angemerkt, dass man das BauGB auch so auslegen kann, dass Innenentwicklung ein städtebauliches Muss ist. Trotzdem benötigt es auch deutlich stärkere Anreize, z. B. über Subventionen, damit das Thema über eine Verankerung im FNP hinaus angegangen wird.
Auf die Nachfrage hin, wer in den genannten Beispielen das Flächenmonitoring betreibt und ob sich im Rahmen dieses Monitorings Erfolge aufzeigen lassen, wird angemerkt, dass das Monitoring im vorgestellten Beispiel durch einen Planungsdienstleister vorgenommen wird, in anderen Fällen kann das Monitoring auch durch die Kommunen erfolgen. Zu den Erfolgen wird die Situation in Ummerstadt genannt. Dort gab es zwar keine Nachverdichtung, aber Nachnutzungen im Innenbereich, während kein neues Bauland ausgewiesen wurde.
Die Stärkung der Innenentwicklung ist erfahrungsgemäß in hohem Maße auf die Mitwirkungsbereitschaft der privaten Eigentümer (Grundstücke, Altimmobilien) angewiesen. Rechtsmittel, um eine Grundstücksweitergabe und marktgerechte Preise zu erzwingen, haben die Kommunen im Status quo nicht. Hier stellt sich angesichts des hohen politischen Stellenwerts der Innenentwicklung die Frage, ob das im BauGB verankerte Instrumentarium in dieser Hinsicht ausreicht bzw. nachgebessert werden sollte. In diesem Zusammenhang wurde darauf verwiesen, dass die Kommunen gegenüber derartigen Eingriffen in das private Eigentum zurückhaltend sind. Gleichzeitig zeigt die Erfahrung, dass die Möglichkeit ein entsprechendes Rechtsmittel einsetzen und dies glaubhaft androhen zu können, die Kooperationsbereitschaft stärkt und einen Korridor für informelle Einigungen öffnet.
Ausblick und Verabschiedung
Auftraggeber und Forschungsassistenz bedanken sich bei allen Beteiligten für einen gelungenen Querschnittsworkshop und die intensiven und aufschlussreichen Diskussionen.