Auf dem zweiten Dialogforum am 29.05.2024 in Pforzheim haben die teilnehmenden Vetreter*innen der Modellvorhaben eine erste gemeinsame Zwischenbilanz gezogen. Thematisiert wurden dabei die Hürden und Herausforderungen für die Umsetzung der Projektziele, die unterschiedlichen Perspektiven beteiligter Akteure sowie zentrale Erfolgsfaktoren. Diese Aspekte sollen nachfolgend eingeordnet werden.
Kapazitäten: Insbesondere in kleineren Kommunen fehlt es häufig an spezialisiertem Fachwissen sowie zeitlichen Kapazitäten durch eine vergleichsweise begrenzte Personalausstattung. Neue und komplexe Aufgaben und Anforderungen binden die wenigen Ressourcen verstärkt. Zusätzliche Projekte, wie bspw. in den Modellvorhaben, stellen somit einen erhöhten Zeitaufwand dar, der nicht immer geleistet werden kann. Denn die Kommunen müssen mit Blick auf die knappen Personal- und Finanzressourcen Aufgaben priorisieren, selbst wenn grundsätzlich Interesse an einem Thema besteht (z.B. Innenentwicklung/Nachverdichtung forcieren, Flächenmanagement regional organisieren etc.).
Thematische Bewertung und Relevanz: Das Thema Flächenverbrauch wird gesellschaftlich sowie politisch unterschiedlich verhandelt und bewertet. Teilweise ist das Thema des zu hohen Flächenverbrauchs bereits im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert und es wird ein gemeinsamer regionaler Problemdruck wahrgenommen, teils jedoch auch noch nicht. Kurze Wahlperioden mit wechselnden Mehrheiten können hier ebenfalls zu sich verändernden Bewertungen führen. Dies wirkt darauf zurück, wie schnell sich zwischen den unterschiedlichen Akteuren Fortschritte erzielen lassen, wie nachhltig diese wirken und wieviel grundsätzliche Arbeit und Kommunikationsaufwand zu leisten ist, um gemeinsame Entwicklungsziele (neu) auszuhandeln.
Quelle: T. Milde
Kommunalfinanzen: Die wichtigen Einnahmen der Kommunen aud Grund- und Gewerbesteuer führen vielfach zu einer Konkurrenz um neue Gewerbeansiedlungen als auch Wohnimmobilien und wirken somit hinderlich sowohl für eine reduzierte Flächenneuversiegelung als auch eine auf frewilliger Basis abgestimmte regionale Siedlungsentwicklung. Umgekerht zeigt sich, bspw. im Bereich Logistik, dass es auch Widerstände bezüglich neuer Gewerbeansiedlungen gibt. In beiden Fällen wird die Notwendigkeit eines Interessensausgleichs gesehen, um interkommunale Zusammenarbeit zu stärken.
Verbindlichkeiten: Abgestrebte Verbindlichkeiten wurden teilweise im Verlauf des Vorhaben seitens der dortigen Kommunen kritisch gesehen und stießen auf Ablehnung. Dies wirft exemplarisch einen Blick auf das teils schwierige Verhältnis zwischen dem Ziel, kommunale Handlungsautonomie zu bewahren – die per se institutionell verankert ist – und eine regional abgestimmte Steuerung der Siedlungsentwicklung verbindlicher zu gestalten. Letztes wird von manchen Kommunen mit Sorge vor einer Einschränlung der kommunalen Selbstverwaltung und Beschneidung ihrer Entwickungsmöglichkeiten gesehen. Um mehr Verbindlichkeit zu erzeugen, werden als Bedarfe u.a. eine langfristige und gemeinsame institutionelle Basis – auch für die Verstetigung – in den Projekten (z.B. durch Zweckverbände) sowie eine stärkere Verbindlichkeit regionalplanerischer Instrumente gesehen.
Kommunikation: Um Akteure aus Verwaltung und Politik von Aktivitäten zur Reduzierung der Flächenneuinanspruchnahme zu überzeugen, bedarf es einer intensiven Kommunikation. Hier sehen die Vertreter*innen der Modellvorhaben eine zentrale, aber auch anspruchsvolle Aufgabe. Eine Ansprache der Kommunen über den Begriff „Flächensparen“ funktioniere nicht. Es brauche vielmehr eine Kommunikationsstrategie, die gemeinsame Ziele definiert, faktenbasiert argumentiert, Vorteile stärker herausstellt, Vorbehalte adressiert und Unsicherheiten überwinden kann. Ansätze können hier eine Vernetzung mit anderen Regionen und guten Beispielen sein. Zudem müsse verdeutlicht werden, dass sich aus einer Zusammenarbeit für einige Kommunen die Chance ergibt, auf ihre Entwicklung mehr Einfluss nehmen zu können, anstatt durch externe Faktoren in der Entwicklung beeinflusst zu werden. Weitere kommunikative Herausforderungen ergeben sich aber auch aus abweichenden Interessen Dritter, etwa von Eigentümer*innen sowie zu großen Zuschnitten der Kooperationsräume.
Quelle: T. Milde
Fachwissen: Besonders die Bestandsentwicklung ist keine klassische Aufgabe der Bauleitplanung und somit der Planer*innen einer Gemeinde, aber gleichzeitig eine notwendige sowie komplexe Aufgabe (u.a. aufgrund rechtlicher Rahmenbedingungen, unterschiedlicher Besitzverhältnisse, Eigentümer*inneninteressen etc.). Das notwendige Fachwissen zum Umgang mit dieser Thematik ist jedoch gerade in kleineren Kommunen nicht in vollem Umfang vorhanden und auch die Ausübung der kommunalen Planungshoheit folgt teils nicht aktuellen Empfehlungen. Hier könnten die Bündelung von Wissen und Ressourcen aus überörtlicher Ebene, die Bereitstellung von praktischen Arbeitshilfen, niedrigschwellige Informationsangebote oder gezielte Schulungen Hilfestellung leisten.
Instrumente: Als hilfreich wurde der Einsatz von Baulücken- und Leerstandskataster genannt, um Potenzialflächen zu identifizieren. Es brauche eine solide Beurteilungsbasis, um von falschen Wahrnehmungen wegzukommen. Bisher würden Kataster eher von großen Kommunen genutzt, da ihre Erstellung Pflege zeitintensiv sind. Die Nutzungsmöglichkeit von Daten hierfür sei zwar insgesamt und auch in kleinen Kommunen besser geworden (z.B. automatisiertes Liegenschaftskataster, Innenentwicklungskataster), es bestehen aber oft große Unterschiede zwischen den Kommunen (Verfügbarkeit, Datenbereitstellung, Datenqualität). Hier besteht der Bedarf, Datenerhebung, -pflege und -bereitstellung verpflichtend zu organisieren. Weitere zukünftige Erfolgsfaktoren können neue unterstützende Instrumente (Grundsteuer C, im Planungsrecht, finanzielle Anreize) sowie neue Instrumente integrierter Raumentwicklung (z.B. als Vorbild Agglomerationskonzept Schweiz) sein.
Es wurde zudem festgestellt, dass ohne ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen keine Verstetigung der Maßnahmen in den Modellregionen möglich ist und eine aktive Bodenpolitik und Innenentwicklung Anschubfinanzierung erfordern, die weit über die finanziellen Möglichkeiten eines Modellvorhabens hinausgehen.